W. REUTER (1768-1834), Frauenkopf, 1818, Biedermeier Porträt

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Wilhelm Reuter gehört zu den Ausnahmepersönlichkeiten der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts. Nicht nur, weil er sich besonders früh mit der damals gänzlich neuen Lithographie-Technik beschäftigte und ihr Potential erkannte, sondern weil er dies auf ganz ungewöhnliche, heute würde man sagen moderne Art getan hat. Kaum ein anderer Künstler hat so eigenwertige und die Individualität des Strichs betonende Kunstwerke auf Stein ausgeführt. Die hier gezeigte Gruppe von drei Frauenporträts, alle 1818 entstanden, verdeutlicht diesen Anspruch exemplarisch. Den “Geist, der in einer guten Zeichnung herrscht, darzustellen”, war sein selbsterklärtes Ziel. Die Lithographie bot erstmals die Möglichkeit, gänzlich frei wie mit dem Stift, der Feder oder dem Pinsel direkt auf den Stein zu zeichnen und so den Widerstand, den jede andere druckgraphische Technik dem Künstler materialbedingt bot, zu umgehen. So konnten spontane, der Zeichnung ähnliche Werke entstehen, die nicht mehr imitieren mussten wie die Crayonmanier oder die Aquatinta. Reuter verbindet diese technische Entwicklung und die damit einhergehende künstlerische Spontanität mit dem diskursiven Grundgedanken der Graphik. Die Intimität der Zeichnung sollte für andere Menschen zugänglich werden und sich weit über das Unikat hinaus verbreiten. So kommt es, dass er die meisten seiner Lithographien signierte und sie als fertige Kunstwerke auszeichnete, obwohl sie ihren Skizzencharakter beibehielten. Erstmals in der Geschichte der Druckgraphik war es möglich, die Eigenheit der Zeichnung in ein vervielfältigendes Medium zu übertragen und keiner hat dies so intensiv genutzt wie Wilhelm Reuter. Er kam bereits sehr früh mit der neuen Technik, die Aloys Senefelder 1798 in München patentieren ließ, in Berührung und trug mit der Herausgabe der Sammlung Polyautographische Zeichnungen vorzüglicher Berliner Künstler 1804 zur weiten Verbreitung bei. Lediglich Benjamin West und Johann Heinrich Füssli in England engagierten sich ähnlich intensiv für die Verbreitung wie Reuter. Er unterrichtete Karl Friedrich Schinkel, Karl Blechen, Franz Krüger, Gottfried Schadow und Bonaventura Genelli in der Lithographietechnik und gewann sie für sein Projekt. Der wahre Siegeszug der Lithographie geht Hand in Hand mit der Demokratisierung der Gesellschaft. Sie bietet dem politisch aktiven Bürger die ideale Grundlage, mit Bild und Wort in ungekannter Breite Einfluss zu nehmen. Honoré Daumiers über 4000 Lithographien sind nur ein kleiner Teil dieses demokratischen Aspekts der Lithographie, den schon Schadow bei der Entstehung der Technik erkannt hat: “Bei dieser neuentdeckten Manier, die nicht mehr Zeit erfordert als eine Zeichnung auf Papier, würden Zeit und Kosten erspart” und auch für Reuter gelingt es so, dass “jede Zeichnung Original ist”.

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Beschreibung

Wilhelm Reuter (1768 Hildesheim – 1834 Berlin), Frauenkopf, 1818, Crayonmanier

  • Technik: Crayonmanier auf Papier (braun)
  • Stempel: Verso Sammlerstempel, Lugt Nr.: 2037. Adam Politzer (1835-1920). Wien. 20. Jahrhundert, 19. Jahrhundert
  • Provenienz:
  • Bezeichnung: oben rechts spiegelverkehrt monogrammiert und datiert: “WR 1818”
  • Datierung: 1818
  • Beschreibung: Wilhelm Reuter gehört zu den Ausnahmepersönlichkeiten der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts. Nicht nur, weil er sich besonders früh mit der damals gänzlich neuen Lithographie-Technik beschäftigte und ihr Potential erkannte, sondern weil er dies auf ganz ungewöhnliche, heute würde man sagen moderne Art getan hat. Kaum ein anderer Künstler hat so eigenwertige und die Individualität des Strichs betonende Kunstwerke auf Stein ausgeführt. Die hier gezeigte Gruppe von drei Frauenporträts, alle 1818 entstanden, verdeutlicht diesen Anspruch exemplarisch. Den “Geist, der in einer guten Zeichnung herrscht, darzustellen”, war sein selbsterklärtes Ziel. Die Lithographie bot erstmals die Möglichkeit, gänzlich frei wie mit dem Stift, der Feder oder dem Pinsel direkt auf den Stein zu zeichnen und so den Widerstand, den jede andere druckgraphische Technik dem Künstler materialbedingt bot, zu umgehen. So konnten spontane, der Zeichnung ähnliche Werke entstehen, die nicht mehr imitieren mussten wie die Crayonmanier oder die Aquatinta. Reuter verbindet diese technische Entwicklung und die damit einhergehende künstlerische Spontanität mit dem diskursiven Grundgedanken der Graphik. Die Intimität der Zeichnung sollte für andere Menschen zugänglich werden und sich weit über das Unikat hinaus verbreiten. So kommt es, dass er die meisten seiner Lithographien signierte und sie als fertige Kunstwerke auszeichnete, obwohl sie ihren Skizzencharakter beibehielten. Erstmals in der Geschichte der Druckgraphik war es möglich, die Eigenheit der Zeichnung in ein vervielfältigendes Medium zu übertragen und keiner hat dies so intensiv genutzt wie Wilhelm Reuter. Er kam bereits sehr früh mit der neuen Technik, die Aloys Senefelder 1798 in München patentieren ließ, in Berührung und trug mit der Herausgabe der Sammlung Polyautographische Zeichnungen vorzüglicher Berliner Künstler 1804 zur weiten Verbreitung bei. Lediglich Benjamin West und Johann Heinrich Füssli in England engagierten sich ähnlich intensiv für die Verbreitung wie Reuter. Er unterrichtete Karl Friedrich Schinkel, Karl Blechen, Franz Krüger, Gottfried Schadow und Bonaventura Genelli in der Lithographietechnik und gewann sie für sein Projekt. Der wahre Siegeszug der Lithographie geht Hand in Hand mit der Demokratisierung der Gesellschaft. Sie bietet dem politisch aktiven Bürger die ideale Grundlage, mit Bild und Wort in ungekannter Breite Einfluss zu nehmen. Honoré Daumiers über 4000 Lithographien sind nur ein kleiner Teil dieses demokratischen Aspekts der Lithographie, den schon Schadow bei der Entstehung der Technik erkannt hat: “Bei dieser neuentdeckten Manier, die nicht mehr Zeit erfordert als eine Zeichnung auf Papier, würden Zeit und Kosten erspart” und auch für Reuter gelingt es so, dass “jede Zeichnung Original ist”.
  • Schlagworte: Porträt, Deutschland, Biedermeier, 1800-1849
  • Größe: 24,4 cm x 19,5 cm, Darstellung: 20,8 cm x 16,2 cm
  • Zustand: Guter Zustand. voller Papierrand, am linken unteren Rand winziger, restaurierter Einrisse (so gut wie nicht sichtbar). Kleines Loch rechts neben der Nase (alt restauriert).

 



 

English Version:

 

Wilhelm Reuter (1768 Hildesheim – 1834 Berlin), Woman’s head, 1818, Crayon manner

  • Technique: Crayon manner on
  • Stamp: Verso Collector’s stamp, Lugt no.: 2037. Adam Politzer (1835-1920). Vienna. 20th century, 19th century
  • Provenance:
  • Inscription: Monogrammed and dated in reverse at the top right: “WR 1818”.
  • Date: 1818
  • Description: Wilhelm Reuter is one of the exceptional personalities of early 19th century art. Not only because he became involved with the then completely new lithography technique at a particularly early stage and recognised its potential, but also because he did this in a very unusual, today one would say modern way. Hardly any other artist has executed such individual works of art on stone, emphasising the individuality of the stroke. The group of three portraits of women shown here, all painted in 1818, exemplifies this claim. To depict the “spirit that reigns in a good drawing” was his self-declared aim. For the first time, lithography offered the possibility of drawing directly on the stone as freely as with a pen, pencil or brush, thus circumventing the resistance that every other printmaking technique offered the artist due to the material. This made it possible to create spontaneous works similar to drawings, which no longer had to imitate the crayon manner or aquatint. Reuter connects this technical development and the artistic spontaneity that went with it with the discursive basic idea of graphic art. The intimacy of the drawing should become accessible to others and spread far beyond the unique work. It so happens that he signed most of his lithographs and labelled them as finished works of art, although they retained their sketch character. For the first time in the history of printmaking, it was possible to transfer the peculiarity of the drawing into a reproducing medium, and no one used this as intensively as Wilhelm Reuter. He came into contact with the new technique, which Aloys Senefelder patented in Munich in 1798, at a very early stage and contributed to its wide dissemination by publishing the collection Polyautographische Zeichnungen vorzüglicher Berliner Künstler in 1804. Only Benjamin West and Johann Heinrich Füssli in England were as intensively committed to dissemination as Reuter. He taught Karl Friedrich Schinkel, Karl Blechen, Franz Krüger, Gottfried Schadow and Bonaventura Genelli the lithographic technique and won them over to his project. The true triumph of lithography went hand in hand with the democratisation of society. It offered the politically active citizen the ideal basis for using images and words to exert an unprecedented degree of influence. Honoré Daumier’s more than 4000 lithographs are only a small part of this democratic aspect of lithography, which Schadow already recognised when the technique was first developed: “With this newly discovered manner, which requires no more time than a drawing on paper, time and costs would be saved” and for Reuter, too, it succeeds so that “every drawing is original”.
  • Keywords: 19th century, Biedermeier, Portraits, Germany,
  • Size: 24,4 cm x 19,5 cm (9,6 x 7,7 in), Depiction: 20,8 cm x 16,2 cm (8,2 x 6,4 in)
  • Condition: Good condition. full paper margin, at lower left margin tiny restored tear (as good as not visible). Small hole to the right of the nose (old restored).